Terra-Geschichten, Folge 8: Manfred zieht in die Stadt

Bei der terra schreibt das Leben besondere Geschichten. Es geht um Alltagsmomente, um Fähigkeiten, Entwicklungen und Veränderungen, um Einblicke in das Leben Einzelner. Jede dieser Geschichten ist es wert, erzählt zu werden. So wie die von Manfred und seiner Lust aufs Stadtleben.

Vor einigen Wochen war an dieser Stelle in Folge 6 die Rede von Stefan und seiner künstlerischen Ader. Stefan gehört bei der terra zu den Bewohnern der ersten Stunde. Genau wie Manfred. Auch er war 1979 als junger Mann von Berlin nach Belau auf die frisch hergerichtete Hofstätte der terra gezogen, die fortan Menschen mit geistiger Behinderung beheimatete.

Mittlerweile haben einige dieser Bewohner*innen ihren 60. Geburtstag bereits hinter sich. „Und ich wohne derzeit immer noch bei der terra“, sagt Manfred und setzt hinzu: „Obwohl ich eigentlich ein Stadtmensch bin.“

Ein Urlaub mit Folgen

Wie sehr es in die Stadt zieht, hat Manfred auch vor einigen Jahren wieder einmal gespürt. „Das war im September, als ich auf Urlaub in Frankfurt/Oder war“, erzählt er und gerät fast ein bisschen ins Schwärmen. Eine Stadt mit ihrer Geschäftigkeit hat einen sehr anderen Rhythmus als das beschauliche Belau im Wendland. Hier verbrachte Manfred hauptsächlich im Team Brennholz sein Arbeitsleben. Jetzt aber, in seinem siebten Lebensjahrzehnt, möchte der 60-Jährige auch wegen leichter Hüftbeschwerden ein bisschen kürzertreten, weniger arbeiten, mehr das Leben genießen – und das möglichst in der Stadt.

Der Urlaub in Frankfurt/Oder hat ihm keine Ruhe mehr gelassen. Immer wieder dachte Manfred daran, wie sehr es ihm dort gefallen hat – und dass es doch eigentlich schön wäre, dort ganz zu leben. Nicht dass es ihm bei der terra nicht gut gegangen wäre, im Gegenteil: Hier hat der gebürtige Berliner viele Freunde und sich immer wohlgefühlt. Nur eben ist es in Belau für einen Stadtmenschen wie ihn doch sehr ländlich…

Ein ernstzunehmender Wunsch

Nach und nach wurde Manfreds Wunsch nach einem Umzug immer stärker und erreichte auch Henrik Thunecke. Der terra-Einrichtungsleiter legt viel Wert darauf, dass die Vorstellungen der Bewohner*innen ernst genommen werden, „das gebietet uns auch das Bundesteilhabegesetz“, sagt er. Danach sollen Menschen mit Behinderung selber entscheiden, wo und wie sie wohnen möchten. Also war Henrik Thunecke sofort bereit, Manfred in seinem Vorhaben zu unterstützen. Nach einigen Recherchen stieß Thunecke dann auf die Wichern Diakonie, die erwachsenen Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen an mehreren Stadtorten in Frankfurt an der Oder Wohn- und Betreuungsmöglichkeiten bietet.

Manfred war begeistert und konnte es kaum abwarten, mit seinem terra-Stammbetreuer nach Frankfurt/Oder zu einem ersten Kennenlernen zu fahren. Gesagt, getan – es gab eine Besichtigung der Einrichtung, ein schönes Kaffeetrinken und gute Gespräche mit lauter netten Leuten. „Einen Freund habe ich dort auch gleich gefunden. Der kann gut kochen“, erzählt Manfred. Auch er selbst kocht gern, das passt. Und wie hat ihm das Einzelzimmer gefallen, das ihm angeboten wurde? „Na prima“, erwidert er prompt. „Und die malern es für mich auch ganz neu.“ Vielleicht in Blau, das würde er schön finden, aber die Farbe bleibt bis zu seinem Umzug eine Überraschung.

Das neue Zuhause

Und so wird nun aus Manfreds Wunsch endlich Wirklichkeit: Am 29. März 2023 zieht er nach Frankfurt/Oder um in ein Wichern-Haus. Genauer gesagt wird das „Gutshaus“ am westlichen Stadtrand seine neue Heimat werden. Hier leben die Bewohner*innen in Besonderer Wohnform auf drei Etagen mit jeweils 10 Einzelzimmern und einem Wohn-Esszimmer mit offener Küche. Der rekonstruierte Altbau auf dem Bioland-Bauernhof des Landguts Gronenfelde ist von großzügigen Außenanlagen umgeben – und doch so stadtnah.

In der Nähe von Manfreds neuem Zuhause liegen der Botanische Garten und der Olympia Stützpunkt Brandenburg. Und zu Fuß bis zum Stadtzentrum sind es auch nur knappe 30 Minuten. Manfred ist ja gesund und fit, für ihn ist die Strecke ein Klacks! Im Zentrum gelangt man auch ans Ufer der Oder, durch deren Mitte die Staatsgrenze zu Polen verläuft. Nach Stubice, der polnischen Grenzstadt am anderen Ufer, kann man herüberwinken.

Nach seinem Umzug will Manfred dann als erstes den Polenmarkt besuchen und sich dort nach ein paar neuen „Klamotten“ umsehen. „Die gibt`s da sehr günstig“, weiß er noch von seinem damaligen Urlaub und freut sich schon auf ein paar neue Schnäppchen. Sein Geld mit vollen Händen ausgeben will er aber nicht. „Das muss man immer zusammenhalten“, sagt Manfred. Sein Leben lang hat er das getan und stets sparsam gelebt.

Parat für den Umzug

Zu Manfreds Haltung passt, dass er seinen ganzen Hausstand von Belau nach Frankfurt an der Oder mitnehmen möchte. Er zählt auf: „Meinen Fernsehschrank und Fernsehsessel, den Tisch und die Stühle, das Regal, einen Klappstuhl und natürlich mein blaues Bauernbett.“ Wo das steht, da fühlt sich Manfred wohl. Seine Kleidung ist größtenteils auch schon in Kisten verpackt. „Aber vorher habe ich noch ein bisschen aussortiert.“

Im Prinzip ist also fast alles parat für den Umzugswagen. Der wird am Mittwoch, den 29. März, bei der terra vorfahren und Manfreds Möbel und Kisten im Laderaum verstauen. Und dann ab damit nach Frankfurt ins neu gemalerte Zimmer! Manfred selbst reist an diesem Tag allein mit einem durchgehenden Zug zu seiner gesetzlichen Betreuerin nach Berlin. Am nächsten Tag gehts dann mit dem Auto zusammen weiter nach Frankfurt/Oder in sein neues Zuhause.

Manfreds Vorfreude auf seine Zukunft in der Stadt hat das ganze terra-Team angesteckt. Die Mitarbeitenden haben ihn bei allen Vorbereitungen begleitet und werden dem langjährigen Bewohner nun bald ade sagen müssen. „Alle haben mich toll unterstützt“, sagt Manfred. Auch Henrik Thunecke ist dem Team dafür dankbar, dass es so mitzieht. Zumal er weiß, dass das freiwerdende Zimmer bei der terra zu einer Neuaufnahme führen wird. „Und das bedeutet immer viel Arbeit, gerade in der Eingewöhnungszeit bei uns. Es ist also durchaus nicht selbstverständlich, dass Pläne von Bewohnern vom Team so mitgetragen werden.“ Das weiß er zu schätzen.

Alles Gute, lieber Manfred!

Nun wünschen alle Terraner*innen dem Manfred einen reibungslosen Umzug, eine gute Fahrt nach Frankfurt/Oder und dort einen tollen Neuanfang in seinem neuen Zuhause. Viel Spaß in der Stadt!


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