Sommerfest I: Denkwürdige Worte, vergnügte Stimmung, tolle Musik

Die terra hat am Samstag, den 17. August, ihr traditionelles Sommerfest gefeiert. Es begann in der Tenne mit nachdenklichen Worten, denen eine grandiose Theatervorstellung folgte. Anschließend vergnügten sich alle auf dem Hof bei umfangreichem Programm.

Belau, 17. August 2024: Vom Himmel strömt gegen 15 Uhr noch der Regen, durch den Eingang zum Gehöft Nr. 6 strömen die Gäste. Einige halten sich das Nass von oben mit schützenden Schirmen vom Leib, andere huschen rasch unter das Bühnendach oder den Vorstand des Getränkewagens. Lange muss dort aber keiner ausharren. Denn die Begrüßung zum diesjährigen Sommerfest findet heute sowieso in der Tenne statt.

Dort füllen sich zwischen dem altehrwürdigen Gebälk die Stuhlreihen rasch. Bald ist jeder Platz besetzt von Bewohner*innen der terra und Nutzer*innen der Tagesförderstätte, von ihren An- und Zugehörigen, von Betreuer*innen und Freunden, von externen Besucher*innen und Nachbar*innen. Auch auf der Empore stecken Gäste des Sommerfestes ihre Köpfe durch das offene Fachwerk und sehen in den Zuschauerraum hinunter. Von hier aus hat man einen wunderbaren Blick auf den Innenraum, das erwartungsvolle Publikum und die noch leere Bühne.

Begrüßung durch Henrik Thunecke

Wenige Minuten später tritt Henrik Thunecke, Geschäftsführer und Einrichtungsleiter der terra, vor die Festgemeinde, um sie auf sehr herzliche Art zu begrüßen und allen zu danken, die den Weg der terra und der zu ihr gehörenden Menschen bereitet, begleitet und gefördert haben.

Heute ist ein denkwürdiger Tag, denn die terra feiert nicht nur ihr traditionelles Sommerfest, sondern auch ihr 45-jähriges Jubiläum. Das nimmt Henrik Thunecke zum Anlass, zurückzublicken auf die Geschichte von Menschen mit geistiger Behinderung in Deutschland. Er schaut weit zurück bis zu den Anfängen der Nazizeit. Ab da galt es, neben vielen anderen Personengruppen auch „erbkranke Menschen auszumerzen“. Ein wahrhaft beschönigendes Wort für die abertausendfachen Morde in den Tötungslagern.

Dann verliest Thunecke eine Passage von einer Fotokopie, in der ebenfalls von „krankhaften Erbgängen“ die Rede ist. Das Publikum raunt, soll raten, von wann diese Zeilen stammen. Alle liegen falsch: Sie stehen tatsächlich in einem Biologie-Buch aus dem Jahr 1991 – unfassbar! Die Stimme des Geschäftsführers wird eindringlicher. „Ja, unfassbar, dabei ist erwiesen, dass nur drei Prozent der geistigen Behinderungen tatsächlich vererbt werden.“ Zu 97 Prozent wird die Beeinträchtigung anders erworben. Den meisten Formen der geistigen Behinderung liegen Chromosomenveränderungen oder Gendefekte zugrunde, zum Beispiel durch eine spontane Mutation während der Schwangerschaft.

Schnell wird klar, warum Henrik Thunecke so weit ausholt: Es geht ihm um die menschenverachtende Haltung der Nazis, die er auch beim heutigen rechtsextremen Thüringer AfD-Chef Björn Höcke wiedererkennt. In Thüringen ist am 1. September Landtagswahl – und die AfD liegt laut Umfragen bisher mit rund 30 Prozent als stärkste Partei vorn. „Dabei hat dieser Höcke innerlich wie äußerlich Ähnlichkeit mit Göbbels, dem Reichpropagandaminister der Nazis“, sagt Henrik Thunecke. „Schlimm!“ findet er das und verspricht, dass so ein verabscheuungswürdiger Geist unter seiner Verantwortung niemals Einzug in die terra halten wird.

Ein schönes Grußwort von der Landrätin

Hieran knüpft Dagmar Schulz direkt an. Die parteilose erste Landrätin des Landkreises Lüchow-Dannenberg spricht gleich nach Thunecke und beschwört: „Wir müssen die Demokratie aufrechterhalten, und das braucht mehr Anstrengung von allen!“ Jeder müsse sich mit seinen Kompetenzen einbringen und an den entscheiden Stellen NEIN, SO NICHT! Sagen.

Jenseits der aktuellen Politik zeigt sich Dagmar Schulz froh über die anfängliche Integration, die in Deutschland jeden befähigen sollte, sich zurechtzufinden. „Abgelöst wurde die Integration dann durch die Inklusion“, stellt sie fest. „Inklusion, damit sich alle in diesem System selbständig bewegen können. Das ist der Anspruch – aber zu diesem Ziel ist es noch ein sehr langer Weg!“ Die terra hat sich in ihren Augen aber längst auf diesen Weg gemacht. „Sie bietet Lösungen an, ambulant und stationär – eine so wertvolle Arbeit seit 45 Jahren! Danke an alle, die daran mitwirken!“ Die Landrätin weiß aber auch, dass all diese Bemühungen Geld benötigen, damit wirklich jeder überall sagen kann „Ich gehöre dazu!“. Deshalb fordert sie von der Gesellschaft und Politik eine andere Prioritätensetzung, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt.

„Die terra tut das, sie unterstützt und fördert die Entfaltung jedes Einzelnen. Und ich weiß, wie glücklich das auch die Eltern der hier betreuten Menschen macht“, fährt Schulz fort. Ob im Schwimmbad, im Sport und in den Vereinen, in der Feuerwehr, in der Kirche oder bei der Disko: „Teilhabe und Zugehörigkeit sind bei der terra und für die terra längst selbstverständlich – DANKE!“

Großes Theater, viel Austausch und verdiente Ehrungen

Teilhabe heißt auch, aktiv kulturelles Geschehen mitzugestalten. Das tut zum Beispiel die Theatergruppe der terra unter der Leitung von Andrea Leonhardt. Nachdem alle ernsten Worte und Bedankungen gesprochen sind, ist es nun an den sechs Schaupieler*innen, eine Kostprobe ihres Könnens zu präsentieren. Oh, war das eine vergnügliche Stunde mit Oskar und Christine, Sanem und Christian sowie Thorsten und Martina! Lesen Sie gleich hier weiter, welch wunderbaren Künste auf der Bühne Premiere feierten. Denn diese Vorstellung ist natürlich einen eigenen Bericht wert!

Mittlerweile ist es nach 16 Uhr. Während sich der Regen verzogen und sommerliche Wärme die Oberhand gewonnen hat, tummelt sich die Festgemeinde nun draußen auf dem Hofgelände. Vom Stallgebäude schallt handgemachte Leierkastenmusik herüber. Kinder hüpfen fröhlich auf dem Trampolin, einige Gäste versuchen sich am eröffneten Bogenschießstand, andere erproben ihre Malkünste im Werkraum. Einige finden sich auf ein kühles Erfrischungsgetränk am Getränkewagen ein. Aber die meisten lassen sich erstmal im Festzelt nieder, in dem Kaffee und Kuchen kredenzt werden. Alle Tische sind besetzt, es summt hier vor angeregten Gesprächen. Schräg gegenüber lockt aber auch der Pizzawagen schon mit köstlichem Duft, dem man kaum widerstehen kann. Überall ist die Stimmung herrlich gelöst, man sieht nur lächelnde Gesichter. Wie schön, dass sich diese einzigartige Atmosphäre auch in diesem Jahr beim Sommerfest wieder über das Anwesen der terra legt!

Derart kulinarisch und emotional gestärkt, gilt die Aufmerksamkeit der Gäste nun den Ehrungen. Sie werden von Geschäftsführer Henrik Thunecke sowie Christine Sandfort vom Ambulant Betreuten Wohnen (ABW) vor der Außenbühne vorgenommen.

Gratuliert wird den Bewohner*innen und Nutzer*innen

Elke zum 45-jährigen Wohnjubiläum,
Eva zum 20-jährigen Wohnjubiläum (auch: Tagesförderstätte),
Steffen zum 15-jährigen Wohnjubiläum (auch: Tafö),
Daniel zum 10-jährigen Wohnjubiläum (auch: Tafö),
Robert zum 5-jährigen Jubiläum in der Tagesförderstätte
• sowie Jochen und Hannes, die langjährig vom Ambulant Betreuten Wohnen begleitet werden.

Und auch einige Mitarbeitende der terra feiern runde Dienstjubiläen, allen voran Susanne Gorff: Für 30 Jahre ungebrochenes Engagement in der Betreuung empfängt sie aus den Händen des Geschäftsführers einen großen Blaubeerstrauch, der nun in Susannes Garten weiter wachsen und gedeihen darf. Norman Ten Wolde blickt wiederum auf 20 Jahre Betriebszugehörigkeit zurück,  Silke Breitenreiter auf 15 Jahre und Anke Lühr auf fünf Jahre.

Allen Jubilar*innen auch von dieser Stelle noch einmal herzlichen Glückwunsch!

Leckere Bratwurst und echter Blues

Auch anhaltender und immer wieder aufbrandende Applaus ist körperliche Arbeit. Klarer Fall, dass sich danach ein leiser Appetit auf Deftiges meldet – also wieder ab ins Festzelt, wo schon lecker gegrillte Bratwürstchen vom Lamm und Schwein aus eigener Produktion auf Abnehmer*innen warten. Und dazu ein üppiges Salatbüffet. Dazu sagt fast keiner nein, nur manche bevorzugen nochmal den Gang zum verführerischen Pizzawagen.

Und dann erklingen auch schon bluesige Töne von der Außenbühne, von wo die vierköpfige Band PASS OVER BLUES  ihren ersten Song anspielt. Jetzt strömt alles wieder zu den Musikern, die wirklich mitreißend spielen und prächtige Stimmung verbreiten. Sie erzeugen mit Gitarre, Bass, Schlagzeug und Gesang in uns allen ein echtes, tiefes Gefühl, den der Blues aufrichtig und wahrhaftig vermitteln, ohne jemals in Sentimentalität oder verkitschte Pseudoromantik abzugleiten. Das passt! Das passt in diesem Moment so gut an diesen Ort, dass einige ins Träumen geraten, während es andere voll auf die Tanzfläche zieht.

In diesem fabelhaft musikalisch getragenen Flair klingt das rundum heitere Sommerfest später auch aus. Keine Regenwolke hat es mehr getrübt, kein Gast hat irgendwo verloren die Zeit totgeschlagen. Es war einfach alles nur schön und rund und gelungen. Danke, liebe terra, das habt ihr mal wieder grandios hinbekommen!

Impressionen


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