Terra-Geschichten, Folge 17: Kevin hat jetzt Führerschein

Bei der terra schreibt das Leben besondere Geschichten. Darin geht es um Alltagsmomente und Wünsche, um Fähigkeiten, Entwicklungen und Veränderungen, um Einblicke in das Leben Einzelner. Jede dieser Geschichten ist es wert, erzählt zu werden. So wie die von Kevin, der nun den Trecker-Führerschein in der Tasche hat.

Als wir das letzte Mal an dieser Stelle von Kevin berichtet haben, hatte seine Idee gerade Gestalt angenommen. „Ich will den kleinen Schlepper-Führerschein machen!“, verriet der heute 21-Jährige damals. Das war im Frühjahr 2023.

Schon im folgenden Sommer begann Kevin, seine Pläne zu konkretisieren. Zum Beispiel musste dafür eine Fahrschule gefunden werden, was in Clenze gelang. Etwa ab August 2023 stand dann der Unterricht für den sogenannten „kleinen“ Traktorführerschein Klasse L auf Kevins Programm. Das hieß: Zweimal in der Woche fuhr der junge Mann nun mit dem Fahrrad oder mit einem Betreuer von der terra ins rund 7 Kilometer entfernte Clenze, um sich dort in der Fahrschule mit dem Lernstoff für den ersehnten „Lappen“ vertraut zu machen. Am Ende dieser Schulung wollte er dann die vorgeschriebene theoretische Prüfung ablegen. Sie würde ihn berechtigen, Zugmaschinen für die Land- und Forstwirtschaft bis 40 km/h Höchstgeschwindigkeit zu führen (mit Hänger: maximal 25 km/h).

Aber noch lagen gut 14 Doppelstunden Theorie in der Fahrschule sowie zusätzlich reichliches Büffeln des Grundlernstoffes zu Hause in Belau zwischen Kevin und der Verwirklichung seines Traumes. Den hegte er übrigens schon seit seiner Kindheit. „Ich bin auf einem Bauernhof bei meiner Pflegefamilie aufgewachsen und fand Treckerfahren schon immer toll“, blickt er zurück. Wie schön, dass sich Träume so lange halten und dann eines Tages Wirklichkeit werden können! 

„Obwohl mir das Lernen für den Führerschein am Anfang gar nicht so leicht fiel“, erzählt Kevin. „Aber je mehr ich wusste und durchblickte, umso einfacher wurde es.“ Solche Lernerfahrungen machen viele Menschen, die sich weiterbilden. Kein Wunder, dass sie auch Kevin nicht erspart blieben. Aber er ließ sich von nichts entmutigen – und hatte zudem Unterstützung an seiner Seite: Emma! Die 21-Jährige befindet sich im dualen Studium der Sozialen Arbeit und absolviert ihren praktischen Teil bei der terra. Von ihr hat Kevin gerade am Anfang viel Hilfe erfahren. Beim Zettel bearbeiten, die die Fahrschule ausgegeben hat, aber vor allem beim Lernen mit einer App.

Was war für ihn einfacher? „Ganz klar das digitale Lernen mit der App auf dem Tablet“, sagt Kevins spontan. Und Emma ergänzt: „Damit kam er wirklich gut klar. Eigentlich musste ich ihn nur öfter motivieren, sich auch wirklich dranzusetzen und dranzubleiben. Später dann, als Kevin sich ans regelmäßige Lernen und die Menge des Leernstoffes gewöhnt hatte, brauchte er mich gar nicht mehr dazu.“

So gingen die Monate ins Land und das Jahr vorbei. Tagsüber arbeitete Kevin weiterhin bei der terra im Team Landwirtschaft, was ihm nach wie vor Freude macht, und nach Feierabend lernte er häufig für den Führerschein. So viel Einsatz und Zielstrebigkeit zahlten sich aus: Es kam der Januar 2024 – und mit ihm der Tag der Führerschein-Prüfung! War Kevin aufgeregt? „Geht so“, meint er. „Aber als ich gesehen habe, dass ich alle Fragen beantworten konnte, lief es rund“. Rund hieß für den terra-Bewohner, dass er 30 Fragen in nur 12 Minuten flitzblitz beantwortet hat und fertig. Whow, so wenig Zeit, das waren kaum zweieinhalb Minuten Nachdenken pro Frage, eine fantastische Leistung! Und das Beste daran: Es war alles richtig – Kevin hatte die Prüfung mit Bravour bestanden und den Führerschein in der Tasche!

Was war das für ein Gefühl? „Gut war das, irgendwie glücklich, ich hab mich total gefreut“, erinnert er sich an diesen Moment. Er hat ihn zuerst mit seiner Betreuerin Sabine von der terra geteilt. „Danach hab ich meine Pflegeeltern angerufen und es dann auch meinen Freunden erzählt.“ Alle, wirklich alle waren stolz auf Kevin. Auch Michi, ein Mitbewohner bei der terra – und selbst schon seit langem Besitzer eines Schlepper-Führerscheins. Konkurrenz gibt es zwischen den beiden aber nicht, sie verstehen sich prächtig. „Und der Michi ist bestimmt auch froh, dass ich jetzt noch mehr mithelfen kann.“

Mittlerweile ist Kevin in Sachen Traktorfahren auch schon ein alter Hase. Schließlich hatte er bereits während seines Praktikums bei Landwirt Schulz in Belau oft den Trecker bedient, wenn auch nur auf dem Hof und Acker. Jetzt aber darf er den terra-Schlepper auch über die Landstraße steuern. Nein, Angst davor habe er nie gehabt, sagt Kevin, nur Respekt, gerade bei Fahrten durchs Dorf oder sonstwo, wo man immer auch rechts vor links beachten müsse. „Die rechts-vor-links-Regel zu lernen war das Schwerste, bevor ich den Führerschein hatte.“

Wir soll es in Kevins Leben nun weitergehen? Wie bisher einen Schritt nach dem anderen, hat er sich vorgenommen. Und der nächste Schritt? „Soll eine Ausbildung sein“, kommt die prompte Antwort. „Und zwar in der Landwirtschaft.“ Vielleicht zum Werker in der Landwirtschaft. Diese dreijährige, stark praxisbezogene Lehre wird in Niedersachsen angeboten und richtet sich insbesondere an Menschen mit (Lern)Behinderung. Sie orientiert sich aber trotzdem wesentlich an den Inhalten der üblichen landwirtschaftlichen Ausbildung. Eine solche Lehre kann sich Kevin sehr gut vorstellen, sie käme auch seinen Fähigkeiten und Interessen entgegen. Genauso hält er es für möglich, noch einen größere Führerscheinklasse draufzusatteln.  „Das schafft er beides bestimmt!“, ist sich auch Emma sicher.

Vorerst genießt Kevin aber noch seine Position hoch oben auf dem Schlepper. Oder er leiht sich in seiner Freizeit von einem Mitbewohner den Roller und „gurkt“ damit ein bisschen durch die Gegend. Sein frisch gebackener Führerschein gilt nämlich auch für Roller bis 25 Stundenkilometer. „Aber Treckerfahren bleibt doch das Beste“, da ist sich der junge Mann sicher.


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