Reformiertes Betreuungsrecht: Jetzt in Kraft getreten

Das neue Jahr 2023 bringt Veränderungen: Zum 1. Januar ist ein reformiertes Vormundschafts- und Betreuungsrecht in Kraft getreten. Damit hat der Gesetzgeber zwei Ziele verfolgt: Erstens soll sich das Selbstbestimmungsrecht der Betreuten noch stärker entfalten können als bisher. Und zweitens soll sich die Qualität der rechtlichen Betreuung verbessern.

Menschen mit einer geistigen Behinderung, wie sie auch bei der terra leben und/oder arbeiten, werden häufig gesetzliche Betreuer*innen zur Seite gestellt. Das ist nicht immer so, aber doch in den meisten Fällen. Die gesetzliche Betreuung ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt und wird nach sorgfältiger Prüfung gerichtlich veranlasst. Als Betreuer*innen können z.B. Angehörige bestellt werden, oft sind es aber Berufsbetreuer. Sie sollen die Betroffenen unterstützen, begleiten und beraten, damit diese ihre Handlungsfähigkeit erhalten und ausüben sowie ihr Selbstbestimmungsrecht wahrnehmen können. Nur wenn in gesonderten Situationen das unterstützende Handeln nicht ausreicht, dürfen gesetzliche Betreuer*innen rechtlich stellvertretend für ihren betreuten Menschen agieren. Aber auch dann muss stets sein Wohl und Interesse im Vordergrund stehen.

Bei einer gesetzlichen Betreuung handelt es sich also immer um ein besonderes Vertrauensverhältnis. Ob das zur Zufriedenheit eines betreuten Menschen hergestellt werden und gelingen kann, hängt jedoch von vielen verschiedenen Faktoren ab. Zum Beispiel von der jeweiligen Situation und auch von der Frage, ob die „Chemie“ zwischen den Beteiligten stimmt. Mitentscheidend ist ebenso, wie oft sich Betreuter und Betreuer sehen und miteinander sprechen, wie diese Kontakte verlaufen, ob Angelegenheiten eines Betreuten rasche Unterstützung erfahren – und auch, ob Berufsbetreuer*innen nicht mit zu vielen Betreuungen überlastet sind.

Dass es im komplexen Feld der gesetzlichen Betreuung auch viele Probleme gibt, ist seit langem bekannt. Deshalb hat der Gesetzgeber das „Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts“ erlassen. Es wurde vom Bundestag bereits am 4. Mai 2021 verabschiedet und ist nun wirksam geworden.

Was ändert sich für die Betreuten?

Das neue Betreuungsrecht stellt das Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Menschen deutlich stärker in den Mittelpunkt:

• Sie sollen z.B. in sämtliche Stadien eines Betreuungsverfahrens eingebunden sein.
• Sie haben ein Recht auf Information.
• Sie besitzen ein Mitspracherecht bei der gerichtlichen Entscheidung, ob und wie eine Betreuung eingerichtet wird.
• Sie können sich jetzt auch zur Auswahl des konkreten Betreuers/der konkreten Betreuerin äußern und sollen an dieser Entscheidung größtmöglich teilhaben. Gegen den freien Willen eines Volljährigen darf ein Betreuer/eine Betreuerin nicht bestellt werden.

Das neue Betreuungsrecht räumt zudem den Wünschen der Betreuten rechtlichen Vorrang ein. Sie sind jetzt der zentrale Maßstab für das Handeln der Betreuer*innen.

Was ändert sich für Betreuer*innen?

Da sie zur Wunschbefolgung verpflichtet sind, müssen sich Betreuer*innen durch persönliche Kontakte regelmäßig ein Bild von den Wünschen ihrer Betreuten machen. Zudem soll gerichtlich stärker als bisher kontrolliert werden, ob das Selbstbestimmungsrecht der Betreuten beeinträchtigt oder angemessen beachtet wird.

Berufsbetreuer*innen werden mit einem neu eingeführten Registrierungsverfahren auch persönliche und fachliche Mindesteignungsvoraussetzungen abverlangt. Heißt: Sie werden nur dann registriert, wenn sie die erforderliche persönliche Eignung und Zuverlässigkeit besitzen sowie eine ausreichende Sachkunde für ihre Tätigkeit nachweisen können.

Auch beruflich Betreuende, die bereits seit Januar 2020 tätig sind, durchlaufen dieses Registrierungsverfahren ganz normal und müssen den geforderten Sachkundenachweis erbringen. Dazu gehören

• vertiefte Kenntnisse des Betreuungs- und Unterbringungsrechts, des dazugehörigen Verfahrensrechts sowie auf den Gebieten der Personen- und Vermögenssorge,
• Kenntnisse des sozialrechtlichen Unterstützungssystems und
• Kenntnisse der Kommunikation mit Personen mit Erkrankungen und Behinderungen und von Methoden zur Unterstützung bei der Entscheidungsfindung.

Sogenannte „Altbetreuer*innen“ hingegen, die schon vor Januar 2020 berufsmäßig tätig sind, müssen sich zwar ebenfalls registrieren, aber nicht mehr ihre Sachkunde nachweisen. Hier geht der Gesetzgeber davon aus, dass diese vorhanden ist.


Zurück zu Aktuelles