Gedanken zum Jahresausklang

Ein denkwürdiges, oft beunruhigendes und teils auch bewegendes Jahr neigt sich dem Ende zu. „Alle, die bei uns leben und arbeiten, hatten viel zu verkraften und mussten fest zusammenhalten“, hatte terra-Geschäftsführer Georg Nicolay vor genau 12 Monaten an dieser Stelle geschrieben. Er hoffte, dass 2022 ein ruhigeres Jahr werden wird. Es kam größtenteils anders, wie sein diesjähriger Weihnachtsgruß zeigt. Der Zusammenhalt aber ist bei der terra geblieben.

Liebe Bewohner*innen und Nutzer*innen,
liebe Mitarbeitende,
liebe Unterstützer*innen der terra est vita,

erinnert Ihr Euch noch? Bis weit in den Oktober hinein war dieses Jahr „gefühlt“ Sommer. Wir konnten noch im T-Shirt auf unseren Bänken im Hof der terra sitzen und die große wie kleine Weltlage erörtern. Plötzlich jedoch schauen wir uns um – schon stehen das Weihnachtsfest und die Jahreswende vor der Tür! Halten wir also einen Moment inne und blicken auf die vergangenen zwölf Monate zurück.

Da ist die Corona-Pandemie samt ihren Folgen, die uns seit nunmehr fast drei Jahren zu schaffen macht. Immer noch und immer wieder mussten wir auch 2022 im Alltag und Miteinander bei der terra viele Einschränkungen hinnehmen. Konnten wir lange Zeit noch sagen, dass die verschiedenen Virus-Varianten einen weiten Bogen um unseren Hof geschlagen haben, so mussten wir in diesem Sommer feststellen: Die verschiedenen Infektionswellen haben den Landkreis Lüchow-Dannenberg und damit auch die terra erfasst. Trotz hoher Impfquoten und anhaltender Hygienedisziplin haben sich schließlich auch bei uns Bewohner*innen, Nutzer*innen und Mitarbeitende angesteckt. Aber zum Glück sind die Krankheitsverläufe meist recht mild ausgefallen.

Unsere Mitarbeitenden haben auch im Infektionsjahr 2022 Herausragendes geleistet – und das, wie zeitweilig überall, bei deutlich gestiegenem Krankenstand. Ich danke allen ganz herzlich für ihren Einsatz!

Eine Zeitenwende mussten wir am 24. Februar 2022 erleben: Russland, vertreten durch Putin und seine Gefolgsleute, hat mit seinem Angriffskrieg Tod, Elend und Zerstörung über die Ukraine gebracht. Wieder Krieg in Europa mit all seinen schrecklichen Folgen – das rückte und rückt immer noch nah an uns heran. Die NATO und andere Staaten schicken mehr und mehr Waffen in die Ukraine, die in unfassbarer Weise ihr Land und die Demokratie verteidigt. Mit Diplomatie einen Ausweg aus diesem fürchterlichen Geschehen zu suchen und zu finden, scheint weit entfernt. Unsere Gedanken gehen gerade jetzt im Winter zu all jenen, die um Leib und Leben fürchten müssen. Es ist gut und richtig, dass Deutschland vielen Geflüchteten nicht nur aus der Ukraine einen Zufluchtsort bietet.

Eine Folge dieses Krieges hat uns unsere Versäumnisse der letzten Jahre vor Augen geführt: Wir haben uns immer abhängiger von Russlands Gas und Öl gemacht und nicht für genügend erneuerbare Energie gesorgt. Statt jetzt deren Ausbau massiv voranzutreiben, müssen aktuell auch teils fragwürdige Energieträger in aller Welt eingekauft werden.

Diese Situation nutzen viele Konzerne aus, um die Preise enorm zu steigern und noch deutlichere Übergewinne zu machen. Das darf nicht tatenlos hingenommen werden! Immer mehr Menschen mit durchschnittlichem oder geringem Einkommen wissen teils nicht mehr, wie sie ihre Mieten und Nebenkosten bezahlen sollen – zumal die Inflation gleichzeitig die Lebenshaltungskosten um fast 10 Prozent in einem Jahr steigen ließ.

Sicherlich hat sich jeder gefreut, als die 300 Euro Energiepreispauschale ausgezahlt wurde. Wie wird sich aber der Energiepreisdeckel und andere Unterstützungen im neuen Jahr auf unser Konto auswirken? Und wie lange wird das finanzierbar sein?

Jeden Tag machen wir uns Gedanken, wie es weitergehen wird. Wir groß die derzeitige Belastung überall ist, erleben wir auch bei unserer täglichen Arbeit, sei es in Belau oder beim Ambulanten Dienst in Lüchow. Ich danke allen Mitarbeitenden ganz herzlich, dass sie trotz allem jeden Tag den von uns betreuten Menschen etwas Zuversicht und Freude bereiten. Wir haben als terra unseren Mitarbeiter*innen eine Prämie ausgezahlt, die neben dem Inflationsausgleich auch als Anerkennung für ihre geleistete Arbeit gedacht ist.

Aber nicht nur die Weltlage hat uns in diesem Jahr traurig gestimmt, sondern auch unsere persönlichen Verluste. So mussten wir hinnehmen, dass uns unsere Bewohnerinnen Brigitte (8.7.2022) und Melanie († 20.7.2022) für immer verlassen haben. Wir trauern auch um Karl-Heinz Kaulis (1.7.2022), Vorsitzender unseres Fördervereins und langjähriges Mitglied im Aufsichtsrat der terra, sowie um Dr. med. Wolfgang Richter ( 02.12.2022), der die terra est vita in den 1980er Jahren mitbegründet hat. Allen Verstorbenen bewahren wir ein ehrendes Gedenken.

Viele Sorgen, die uns in diesem vergangenen Jahr beschäftigt haben, werden uns wohl auch im neuen Jahr 2023 weiter begleiten. Umso wichtiger erscheint mir, dass wir uns die Zeit nehmen, manche Dinge noch deutlicher zu hinterfragen:

  • Wie geht es weiter mit unserer Umwelt? Und was können wir persönlich dazu beitragen, den zerstörenden CO2-Fußabdruck und damit die Klimaerwärmung zu begrenzen?
  • Wie kann unsere Gesellschaft sozial noch gerechter werden?
  • Wie können wir der teils schon sichtbaren Spaltung unserer Gesellschaft entgegentreten? Was können wir dafür tun, dass der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft wieder stabiler wird? Können hier die ehrenamtliche Arbeit und der deutliche Ausbau des Bundesfreiwilligendienstes der notwendige Kitt in unserer Gesellschaft sein?

Über all diese Fragen, aber auch über die wichtigen Dinge des eigenen Lebens, sollten wir im Dialog bleiben.

Wir wollen aber auch mit Hoffnung und Zuversicht ins neue Jahr gehen und gemeinsam Wege finden, wieder unbeschwerter zusammenkommen zu können. Auch miteinander zu lachen, zu feiern, Ausflüge zu unternehmen, Urlaube zu erleben und die vielen schönen Momente des alltäglichen Lebens zu genießen, schmiedet unsere Gemeinschaft zusammen. Auf diese kraftspendende Freude wollen und werden wir bei der terra nicht verzichten.  

Jetzt wünsche ich Ihnen und Euch allen besinnliche Weihnachtsfeiertage, einen guten Rutsch ins neue Jahr und für 2023 vor allem viel Gesundheit und Zufriedenheit.

Ihr Georg Nicolay


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