Das Vormundschaftsrecht und das Betreuungsrecht sollen grundlegend modernisiert werden. Dazu hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) ein entsprechendes Gesetz entworfen. Das Betreuungsrecht soll künftig z.B. dafür sorgen, dass den beruflichen Betreuerinnen/Betreuern genug Zeit für den notwendigen persönlichen Kontakt mit ihren Betreuten bleibt. Damit würde auch die Selbstbestimmung der Menschen mit einer geistigen Behinderung, wie sie bei der „terra“ leben, gestärkt werden.
Zur Historie: Das Vormundschaftsrecht stammt in weiten Teilen noch aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert. Das Betreuungsrecht wurde 1992 eingeführt. Es enthält hauptsächlich Regelungen zur Vermögenssorge und zur gerichtlichen Aufsicht auf die Regelungen für den Vormund. Zwischen den Jahren 2015 und 2017 hat das BMVJ daraufhin u.a. die derzeitige Qualität der rechtlichen Betreuung wissenschaftlich untersuchen lassen. Das Bundesministerium informiert über die Ergebnisse: Sie hätten gezeigt, dass das Gebot größtmöglicher Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen im Sinne von Artikel 12 UN-Behindertenrechtskonvention „im Vorfeld und innerhalb der rechtlichen Betreuung nicht durchgängig zufriedenstellend verwirklicht ist“. Zudem gebe es Qualitätsmängel bei der praktischen Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben. Zusammengenommen habe das Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen erforderlich gemacht.
Der Sozialverband VdK Deutschland, dessen Landesverband Berlin-Brandenburg Gesellschafter der „terra“ ist, begrüßt den Gesetzentwurf. VdK-Präsidentin Verena Bentele wörtlich: „Darauf haben die Betroffenen lange gewartet, und wir als VdK sind lange im Sinne unserer Mitglieder für Verbesserungen eingetreten. Die Reform ist ein wichtiger Schritt für mehr Selbstbestimmung von Menschen, für die aufgrund einer Behinderung oder Krankheit eine rechtliche Betreuung angeordnet wurde. Doch da ist noch Luft nach oben.“
Bisher waren BerufsbetreuerInnen oft so überlastet, dass manche statt zu unterstützen einfach für die rechtlich Betreuten entschieden haben. Das werde sich durch die Reform ändern, so die Verbandschefin. Denn: „Erst der persönliche Kontakt und Gespräche sichern ab, dass BerufsbetreuerInnen im Sinne der Betreuten handeln können. Der VdK fordert aber weiter, dass Betreute – anders als bisher – mehr in die Kontrolle der rechtlichen Betreuung einbezogen werden. Deshalb schlagen wir vor, dass BerufsbetreuerInnen, etwa in Jahresberichten, dokumentieren, wann sie stellvertretend für den Betreuten bzw. die Betreute gehandelt haben. Diese Informationen müssen auch für die Betreuten zugänglich sein. Wichtige Entscheidungen, etwa über einen Umzug in eine neue Wohnung oder mit wem sie sich treffen möchten, dürfen nicht über Kopf der Betreuten hinweg geregelt werden. Der VdK fordert daher, dass die Betreuungsgerichte die Betroffenen vorher anhören müssen. Das würde ihre Selbstbestimmung weiter stärken.“
Der Bundestag hat den Gesetzentwurf am 26. November 2020 in erster Lesung beraten.
Hier der Gesetzentwurf in Leichter Sprache